Das Ende von Viva Goals bietet einige Erkenntnisse, nicht nur für die Verantwortlichen der Steuerungs- und Prozesslandschaften in ihren Organisationen. Darin finden sich auch die Vorzeichen einer Zukunft, in der Strategie-Umsetzung und Unternehmenssteuerung deutlich stärker von künstlicher Intelligenz geprägt und zahlreiche softwarebasierte Abläufe grundlegend verändert werden.
„Mit Microsoft kannst du immer nur Freund und Feind zugleich sein“, sagte der CPO eines Kunden aus dem Silicon Valley einst zu mir. Das war 2022, kurz nachdem Microsoft die Übernahme eines Marktbegleiters von Workpath im Bereich Corporate Goal Management Software (für ca. $250M) bekannt gegeben hatte.
Was folgte, war eine sehr direkte Erfahrung der Monopolmacht von Microsoft, die zwar Herausforderungen für das Team brachte, aber auch dabei half, die Positionierung von Workpath, die Preisgestaltung, die technischen Integrationen sowie andere Schlüsselelemente der Plattform zu verbessern.
Die von Microsoft akquirierte Software galt bis dahin nicht unbedingt als die beste in ihrem Segment. Tatsächlich wurde die ursprünglich für kleine und mittlere Unternehmen entwickelte Lösung viel für ihre UX und fehlende technische Funktionen kritisiert. Als Microsoft jedoch begann, das Tool in sein Produkt- und Preispaket sowie in seine globalen Go-to-Market-Aktivitäten zu integrieren, waren die Konsequenzen für alle im Markt spürbar:
- Das Tool wurde für das erste Jahr oft „kostenlos“ zur Verfügung gestellt, was Procurement Teams und Budgetverantwortliche schätzten;
- Es wurde tiefer in andere relevante Microsoft-Lösungen integriert, was für IT-Teams und Anwender vorteilhaft war;
- Zudem began Microsoft auch, sein Partner-Netzwerk für die Implementierung der Lösung zu bezahlen, wovon wiederum Dienstleister- und Kundenseite profitierten.
Keine drei Jahre später kündigte Microsoft jedoch an, die Lösung bis Ende 2025 abzuschalten.
Dieser unerwartete Rückzug liefert Einblicke in die Besonderheiten und die Komplexität dieses Bereichs. Mindestens drei Erkenntnisse konnte unser Team aus den Gesprächen mit mehr als 80 Viva Goals Kunden dabei gewinnen – für Führungskräfte, die für das Operating Model ihrer Organisation verantwortlich sind, für Enterprise Architekten und IT-Strategen, aber auch für Softwareunternehmen innerhalb und außerhalb des Segments.
Warum Viva Goals gescheitert ist – und welche Schlüsse Unternehmen daraus ziehen
Verschiedene Microsoft-Vertreter:innen bestätigen, dass Viva Goals eingestellt wurde, weil das erwartete Wachstum und die erwartete Akzeptanz nicht erreicht wurden. Interessanterweise hatte Microsoft zunächst versucht, eine neue Lösung zu entwickeln, und Kunden mitgeteilt, dass sie Probleme mit dem Produkt sehen, aber die Kategorie (Corporate Goal Management) nicht aufgeben wollen.
Von den mehr als 80 Viva Goals-Kunden, mit denen Workpath-Teams in den ersten Wochen nach der Ankündigung sprachen, verfolgten nur noch weniger als 15 größere Rollouts mit der Software, und mehr als 40 sahen sich mit weniger als 500 Nutzer:innen und einer geringen Akzeptanz des Tools im Unternehmen konfrontiert als geplant. Trotz der viel größeren Ambitionen auf beiden Seiten war also eindeutig etwas schiefgelaufen.
1. Go-to-Market: Die Rolle einer begleiteten Einführung sowie von Training und laufendem Change Management wurde unterschätzt
Microsoft kontrolliert heute weltweit das vermutlich mächtigste B2B-Ökosystem aus Partnern und Go-to-Market-Teams in der Geschichte (zumindest der Softwarebranche). Und doch scheint das Unternehmen die Komplexität der mit Viva Goals abzubildenden Prozesse unterschätzt zu haben. Effektive Unternehmenssteuerung und Zielmanagement mit echter Wirkung können nicht nur einfach als weitere Features einer Software gesehen werden – als organisationale Kernprozesse benötigen sie Mitarbeiterbefähigung und laufende Weiterentwicklung.
Nach beinahe zehn Jahren aktiver Begleitung von Unternehmen in diesem Bereich wissen wir: Organisationen müssen in ein klares Zielbild für die Steuerung, laufendes Stakeholder- und Change-Management, iterative Prozessanpassungen sowie die Befähigung ihrer Mitarbeiter:innen investieren, wenn sie eine nachhaltige Veränderung in der Art und Weise herbeiführen wollen, wie das Unternehmen gelenkt und Strategien umgesetzt werden können. Prozess-Design, Technologie und laufende Anpassungen an die Rahmenbedingungen müssen integriert gestaltet werden.
Wie aus Gesprächen mit Kunden und Partnern von Viva Goals hervorgeht, gab es kaum eine Zusammenarbeit mit Microsoft an diesen Themen. Organisationen wurden prozessual nicht unterstützt und auch Beratungsunternehmen wurden nicht befähigt, die Technologie tiefer in ihre Transformationsprojekte zu integrieren. Ohne diese Schnittstelle blieb Viva Goals daher meist offenbar „nur ein Feature“, das primär in IT- und HR-Teams bekannt war und nicht in ein übergreifendes Konzept der Unternehmenssteuerung (Operating Model) integriert wurde.
2. Positionierung: Keine Ansprache und Einbeziehung der wichtigsten Stakeholder
Das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seine wichtigsten Ziele zu erreichen, ist ohne Zweifel die Verantwortung und Priorität der Unternehmensleitung. Dennoch gibt es in der Realität immer noch viele Missverständnisse und Unklarheiten darüber, wie dies praktisch erreicht werden kann und welche Rollen im Unternehmen genau dafür verantwortlich sind.
Da Viva Goals hauptsächlich bei Microsofts wichtigsten Stakeholdern in der IT positioniert und in die Employee Engagement Suite Viva eingebettet wurde, war für viele Unternehmen, die unser Team interviewte, nicht klar, an wen sich die Lösung richtete. Aus vielen Gesprächen ging hervor, dass die für eine erfolgreiche Adaption und Skalierung der Lösung kritischen Zielgruppen, wie zum Beispiel Strategie- und Operational Excellence-Einheiten, nicht involviert wurden und gar nicht über die Lösung im Unternehmen informiert waren.
Dahinter verbirgt sich eine allgemeine Herausforderung: Corporate Goal Management – als Werkzeug zur Umsetzung der Strategie, zur Fokussierung und Ausrichtung von Teams und um zu gewährleisten, dass Ressourcen für eine bestmögliche Wirkung investiert werden – ist nach wie vor eine große Schwachstelle in vielen Unternehmen, ein Schlüsselbereich, der unter gleichermaßen isolierten und überlappenden Prozessen sowie einem Mangel an klaren Verantwortlichkeiten leidet.
- Im HR Performance Management werden Ziele gesetzt, jedoch in den meisten Fällen kaum mit strategischen Zielen verknüpft und im Alltag verwendet.
- Es gibt Zielvorgaben aus dem Finanzwesen und Controlling, die in der Regel aber an starre jährliche Budgetzyklen und historische Daten gebunden sind und kaum eine ergebnisorientierte und adaptive Steuerung ermöglichen.
- Im Projektmanagement werden Ziele gesetzt, jedoch fast immer mit Fokus auf lokal optimierten Output, ohne Blick auf die messbare Wirkung und den Mehrwert von Projekten und Aufgaben.
Trotz aller Aufwände und Einschränkungen ihrer bestehenden, isolierten Steuerungsinstrumente warten nur wenige der jeweils verantwortlichen Stakeholder auf ein weiteres Tool oder einen neuen Prozess.
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Wir haben Workpath gegründet, weil wir in der Praxis erlebt haben, wie Strategieumsetzung und Unternehmenssteuerung immer wieder scheitern, wenn die notwendigen Prozesse isoliert und zerklüftet bleiben. Die Folgen sind vermeidbarer Verwaltungsaufwand, Redundanzen und ungelöste Zielkonflikte. Nur wenige Organisationen und kein Lösungsanbieter konnten das bislang erfolgreich und skalierbar adressieren. Auch wenn viele technologische Plattformen am Markt darauf abzielen, die Strategieumsetzung zu unterstützen, haben die zugrundeliegenden Steuerungsprozesse in Unternehmen doch sehr unterschiedliche Anforderungen und Verantwortliche, die ganzheitlich adressiert werden müssen.
Mit den vorhandenen Funktionen und der Positionierung von Viva Goals wurde das Tool in den meisten Fällen lediglich zu einer weiteren Ebene im operativen Projektmanagement der IT – ohne die Arbeit besser mit den angestrebten Ergebnissen und der Strategie zu verbinden. Verantwortlichen aus dem Personalwesen fehlten wiederum zentrale Funktionen, die sie aus Performance-Management-Lösungen wie SAP Successfactors oder Workday kennen, mit welchen eine tiefergehende Integration nicht möglich war.
3. Integrationen für eine ganzheitliche Steuerung: Daten blieben verstreut und Abläufe isoliert von der breiteren Prozesslandschaft
Bei den meisten der aktuellen Migrationsprojekte von Viva Goals zu Workpath erzählen uns Kunden, wie sehr sie die Integrationen in andere Microsoft Produkte schätzten und dass sie sich für Workpath eben wegen dieser Integrationen entschieden haben.
Gleichzeitig hatten nur wenige von ihnen tatsächlich Tools außerhalb der Microsoft-Suite integriert. Das ist teilweise auf fehlende Integrationen mit externen Anbietern und Datenquellen zurückzuführen, aber auch auf die begrenzten Möglichkeiten der vorhandenen Integrationsoptionen. Infolgedessen stieß Viva Goals auf zahlreiche Widerstände, da Verbindungen, zum Beispiel in Projektmanagement-Prozesse, fehlten und dadurch Redundanzen sowie planerische Inseln entstanden.
Eine wirksame Unternehmenssteuerung und Strategieumsetzung erfordert die Planung, Koordination und laufende Optimierung von vier einander beeinflussenden Dimensionen:
- Input (Ressourcen, etwa Budget, Zeit) und
- Output (etwa Produkte und Initiativen), welcher zu
- Outcomes (messbarer Mehrwert des Arbeits-Outputs) führen sollte, die am Ende mit
- Business Impact (wirtschaftlicher Erfolg, meist finanzielle Kennzahlen) belohnt werden.

Die relevanten Daten zu Entscheidungen und Entwicklungen in diesen vier Dimensionen sind in fast allen Unternehmen über die gesamte Organisation verteilt, in verschiedenen Tools, Prozessen und Einheiten. Nur wenn es Organisationen schaffen, diese Wirkungskette über alle Ebenen hinweg zu verknüpfen, können sie diese, samt ihrer Wechselwirkungen, effektiv steuern und die gewünschten Ergebnisse erzielen.
Wenn Tech-Konzerne andere Lösungen am Markt akquirieren, integrieren sie diese häufig nicht gut über ihr eigenes Ökosystem hinaus und vernachlässigen externe Tools und Datenquellen. Viva Goals ist nur ein Beispiel hierbei. Die Folgen waren ähnlich, als Atlassian AgileDraft übernahm und es zu einem Add-on für Jira (heute Jira Align) machte: Es wurde zu einem teuren Plug-in für Jira-Kernnutzer in der IT, blieb aber meist in dieser Nische und ließ sich nicht gut mit anderen Projektmanagement-Tools oder FP&A-Lösungen für die Finanzplanung verbinden. Interessanterweise haben die Gründer von AgileDraft jüngst ein neues Unternehmen in diesem Bereich gegründet – um eine Herausforderung zu lösen, die es noch zu lösen gilt.
Für die Steuerungs- und Zielsetzungsfähigkeit von Unternehmen ist eine Anbieter-neutrale, übergreifende Integration aller relevanten Prozesse und Daten unerlässlich. Insbesondere für die Anwendung von KI (Agenten) ist der zur Verfügung gestellte Kontext durch strukturierte Daten aus allen vier genannten Dimensionen sowie zu deren Interdependenzen erfolgskritisch.
Wie die Zukunft Technologie-gestützter Steuerungsmodelle (Operating Models) in Unternehmen aussehen wird
Kaum ein Tech-Unternehmen konnte in den vergangenen zehn Jahren eine solch erfolgreiche Transformations- und Wachstumsgeschichte demonstrieren wie Microsoft. Für den Rückzug aus dem Goal Management Segment könnte es auch in diesem Kontext einen größeren strategischen Kontext geben. Verschiedenen Quellen innerhalb des Unternehmens zufolge teilen mehrere Microsoft-Einheiten das Schicksal der Viva Goals Unit: Sie wurden vollständig auf die Weiterentwicklung von MS Copilot abgezogen.
Die meisten CIOs, mit denen wir derzeit sprechen, teilen den Eindruck, zu viel für Copilot-Lizenzen ausgegeben zu haben. Qualität und Mehrwert bleiben für viele Nutzer hinter den Erwartungen und steigende SaaS-Preise ohne direkten Bezug zu den tatsächlichen Ergebnissen (Outcomes) stoßen allgemein auf wachsenden Widerstand.Aber das könnte eine irreführende Momentaufnahme sein.
Wir befinden uns immer noch am Anfang einer „KI-Ära“ und worauf wir schauen sollten, sind nicht nur heutige Ergebnisse, sondern auch die Geschwindigkeit und Beschleunigung der Weiterentwicklung. Wenn KI-Modelle nicht nur immer leistungsfähiger werden, sondern auch breiteren Zugang zu besser strukturierten Daten erhalten, werden ihre Möglichkeiten stark zunehmen.
Die Entwicklung unserer eigenen KI-Funktionen und -Agenten bei Workpath zeigt uns seit mindestens zwei Jahren, wie künstliche Intelligenz die verschiedenen Komponenten von Corporate Goal Setting auf neue Art und Weise verbinden und effektivere Steuerungsmodelle unterstützen kann.
Mitarbeitende, die mit KI-Agenten interagieren, werden Planungs- und Kollaborationsprozesse sehr viel schneller und effektiver durchführen können. Viele Abläufe werden durch KI-Agenten vollständig automatisiert, andere werden durch neue Formen der Benutzerinteraktion und (Daten-)Eingabe ersetzt – so werden KI-Assistenten in Chats oder auch per Sprachsteuerung präsenter werden. Dies wird die Qualität strukturierter Daten erheblich verbessern und transparentere sowie vollständigere Wirkungsketten hervorbringen. Damit wiederum können Führungskräfte und Strategieverantwortliche besser verstehen, wie Input zu Output führt und wie Outcomes und Business Impact optimiert werden können.
Auf der Grundlage dieser neuen Datenqualität wird künstliche Intelligenz Teams in Unternehmen rund um die Uhr dabei unterstützen, diese Wirkungsketten zu überwachen und schnellere Feedback-Loops sowie Kurskorrekturen zwischen ihren einzelnen Gliedern schaffen. KI-Agenten können so beispielsweise Business Reviews, inklusive Meeting-Agenda, automatisiert vorbereiten, Probleme auf allen Ebenen der Wirkungskette erkennen und Entwicklungen in Echtzeit vorhersagen.
In dieser neuen Ära wird es immer weniger um Workflow-Software gehen, die Nutzer bei Arbeitsabläufen unterstützt, und immer mehr um die Verknüpfung und Optimierung von Prozessen und Daten, um einen besseren KI-Einsatz zu ermöglichen. Microsoft besitzt mit Tools wie MS Teams und PowerBI nicht nur zahlreiche Kanäle zu seinen Nutzer:innen, sondern auch einige der wichtigsten Datenquellen. Damit ist es in einer hervorragenden Position, um an der Spitze dieser Entwicklungen zu stehen. In der Tat werden alle großen Anbieter, seien es SAP, ServiceNow, Atlassian oder Salesforce, ihre KI-gestützten Funktionen ausbauen müssen, um
- sicherzustellen, dass sie die Kontrolle über die Benutzeroberfläche behalten;
- Daten sowohl über die eigene Produkt-Suite, als auch über die gesamte Prozesslandschaft hinweg besser zu verknüpfen und für KI nutzbar zu machen.
Je dynamischer und dezentraler Großunternehmen werden (ein Trend, der sich durch KI beschleunigen wird), desto wichtiger wird es sein, kontrollierbare Wirkungsketten und adaptive Abläufe als Rückgrat der Unternehmenssteuerung zu schaffen.
Während Workpath umfassend in seine KI-Plattform investiert, konzentrieren wir uns im Kern weiterhin auf das, was unsere Kunden am meisten schätzen:
- ein erfahrenes Team aus Expert*innen und mit engem Kundenkontakt, das die neuesten Technologien mit maßgeschneiderten Dienstleistungen für Menschen in ihrem Arbeitsalltag verbindet.
- eine Plattform- und Integrationsstrategie, die Daten von allen Anbietern und Datenquellen miteinander verbindet, sowie eine schnell wachsende Gruppe von KI-Agenten, die auf dieser Grundlage erfolgreich mit unseren Kunden zusammenarbeiten können.
